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Google schafft personalisierte Werbung ab

Reiner PR-Coup oder steckt mehr dahinter? Hintergründe und Einordnung zu den Themen: Seitenübergreifendes Tracking, Cookieless Future, Ende des Hyper-Targetings, Browser-Wars und Marktstrategien.

Der Konzern aus Mountain View nimmt ab 2022 alle 3rd Party Cookies aus seinen Plattformen und möchte auch in Zukunft an keine alternativen Identifikationen für das Tracking von Einzelpersonen mehr entwickeln, teilte das Unternehmen am 04. März 2021 mit. Primär betroffen sind der Browser Chrome, Google Ads und das Retargeting in Verbindung mit Google Analytics.

Google reagiert damit auf den Wandel in der Branche und den gesellschaftlichen Druck, der durch Datenschützer, Kartellbehörden und Nutzer in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Die Electronic Frontier Foundation bemängelte das 3rd Party Coookie Tracking schon länger: "Third-party cookies are a privacy nightmare (...) You don't need to know what everyone has ever done just to serve them an ad". Einer amerikanischen Studie des Pew Research Center zufolge sagten 81% der Befragten, dass die potenziellen Risiken, denen sie aufgrund der Datensammlung ausgesetzt sind, die Vorteile nicht aufwiegen würden.



Auch die geänderte Europäische Gesetzgebung in Form der General Data Protection Regulation, GDPR (in Deutschland: Datenschutzgrundverordnung, DSGVO) könnte zu Google´s Entscheidung beigetragen haben.

Was einst mit dem strategischen Zukauf von DoubleClick für 2,3 Mrd. Euro begann, endet nun. Die drei Säulen Ad-Serving, Ad-Delivery und Behavioural Targeting auf Basis von Cookies waren das Kerngeschäft von DoubleClick bevor es im Jahr 2007 durch Google übernommen wurde. Ein Nutzer konnte so seitenübergreifend über alle Websiten getrackt werden, die das intelligente Ad-System nutzten. Es war sozusagen die Blaupause für viele Glücksritter im Web (vor allem mit kostenfreien Angeboten) schnell zu wachsen und gutes Geld zu verdienen.

Google reagiert eher zögerlich

Google reagiert ab April 2021 mit dem Browser Chrome (Weltmarktanteil 63%) vergleichsweise spät, da Apple und Mozilla schon in 2019/2020 begannen diese Funktionalität in den eigenen Browsern umzusetzen. Es liegt nahe, dass Google Zeit gewinnen will, um das eigene Anzeigengschäft nicht unnötig zu schwächen. Man beginnt daher nur mit einem ersten Schritt bei den Nutzereinstellungen in Chrome.

Statt 3rd Party Cookie Tracking setzt Google in Zukunft auf die sog. Kohortenanalyse (FLoC), die den Einzelnen einer größeren Gruppe mit gleichen Interessen zuordnet. Chetna Bindra, Produktmanagerin von Google erklärt das so: "This approach effectively hides individuals 'in the crowd' and uses on-device processing to keep a person`s web history private on the browser (...) Results indicate that when it comes to generating interest-based audiences, FLoC can provide an effective replacement signal for third-party cookies." Dieser Schritt war bereits absehbar, da diese Funktionalität schon seit Längerem in Google Ads umgesetzt wurde. So kann dort etwa ein Targeting nach "demografischen Merkmalen", "Zielgruppen mit gemeinsamen Interessen" oder "Kaufbereite Zielgruppen" eingestellt werden.

Der Internet-Gigant kann diese Bastion relativ leicht opfern im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern am Markt für digitale Werbung. Schließlich verfügt Google über ausreichend präzise Datensignale aus den eigenen Diensten wie Gmail, YouTube, Analytics, Google Search, Maps & Co. und den hunderten von Millionen Android Devices, die u.a. auch sehr genaue Positionsdaten per GPS sowie der Erkennung von WLAN-Netzwerken liefern.

Schleichende Datenqualität in Google Analytics

Auch dürfte in USA und Europa die Datenqualität von Google´s seitenübergreifenen Cookie-Tracking zuletzt massiv gelitten haben, da zu viele Nutzer Mozilla Firefox und Apple Safari einsetzen. Das hauseigene Tracking Tool Google Analytics deckte dieses Dilemma schon Ende 2019 auf - auch weil die zwingenden Cookie-Consent-Tools immer mehr Daten in Google Analytics für Werbezwecke, z.B. Conversion-Messungen, Remarkting/Retargeting abschnitten. Zudem blockierten besorgte Nutzer bereits damals in Apple Safari und Mozilla Firefox die 3rd Party Cookies (zu dem auch das Google Analytics Cookie zählt), so dass kaum noch eine valide Conversion-Messung sichergestellt war.

Geteiltes Echo

Die jüngste Meldung ist also eher ein PR-Coup als ein Paukenschlag. Dennoch wird es interessant sein wie der Rivale Facebook darauf reagieren wird und die zehntausend kleineren Vermarkter, Affiliates, Werbetechnologie-Firmen und Medienunternehmen, die vom Retargeting und dem Handel mit Cookie-Technologien partizipieren. So kämpft etwa die "Marketers for an Open Web" - Wirtschaftskoalition gegen Google`s Strategiewechsel zur Kohorten-Analyse und stellt dessen Effektivität in Frage. Es wird argumentiert, dass Google mehr Werbetreibende in seinen "Walled Garden" zwingen wird.

Die Datenschützer bleiben indes weiter skeptisch und sehen in der Korhorten-Analyse eine neu geschaffene Blackbox, die vieles noch schlechter machen könnte. Hintergrund ist das maschinelle Lernen, das kleinste Signale auswertet, deutet und den Nutzer in Gruppen einordnet. Die Werbetreibenden werden entschlüsseln, was diese Etiketten bedeuten so die Sorge. Datenschützer erwarten, dass die Werbetreibenden irgendwann erkennen werden, welche Labels bestimmte Altersgruppen, Geschlechter oder ethische Gruppen einschließen.

Diese Intransparenz dürfte manche beunruhigen ist aber wohl nicht zu verhindern, wenn "Keyword- und interessensbasierte Suchanzeigen" auch in Zukunft attraktiv bleiben sollen. Auch vielen andere Unternehmen sammeln und gruppieren Daten, um mehr über Kunden zur erfahren. Darunter auch die deutsche Autoindustrie, Tesla, Softwareanbieter, E-Shops und Zeitungsverlage mit digitalen Angeboten. Positiv zu vermerken ist auch, dass Google vorerst einer der wenigen Digitalkonzerne bleibt, die ihre Primärleistung "Suche & Information" (noch) nicht hinter einer "Login - Schranke" platzieren und so für jeden frei zugänglich bleibt.

Alternativen zum Cookie-Tracking

Viele Unternehmen werden sich in Zukunft rückbesinnen müssen auf MaFo-Panels, kontextbezogene Content-Umfelder, First Party Data (sprich Cookie-Information, die der Seitenbetreiber selber setzt) als auch auf die sog. "Persistenten Identitäten" (PIDs) mittels der eMail-Adresse. Letztere sind eine Erkennung, die über mehrere Geräte hinweg erfolgt, z.B. Desktop, Tablet und Smartphone. Die PID erkennt dann den Benutzer auf allen Geräten und kann Daten für Werbetreibende produzieren. Letztlich müssen wir alle als Internetnutzer also damit rechnen, dass die Zahl der Benutzeranmeldungen noch weiter steigen wird. Die personalisierte Werbung wandert damit auch vermehrt in die Plattformen, diese diese Daten erheben.

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